Gestaltung der Orgelanlage

Das äußere Erscheinungsbild der Orgel

Im Gegensatz zu vielen anderen Musikinstrumenten ist die äußere Gestaltung einer Orgel nicht zwingend durch ihren inneren Aufbau vorgegeben. Ihre von außen sichtbare Fassade, der sogenannte Orgelprospekt, bietet seit Jahrhunderten nahezu grenzenlose Gestaltungsmöglichkeiten. Die neue Orgel der Zionskirche soll auf die Interpretation moderner und zeitgenössischer Musik ausgerichtet sein und mit einer modernen Prospektgestaltung den verschiedenen historischen Brüchen und Verletzungen der Zionskirche eine neue Schicht hinzufügen.

Wettbewerb zur künstlerischen Gestaltung

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, haben die Evangelische Kirchengemeinde am Weinberg und der Förderverein Zionskirche einen Gestaltungswettbewerb ausgelobt. Die Aufgabe, die sich an bildende Künstler/innen und Architekt/innen richtete, zielte auf eine überzeugende gestalterische Lösung für die zu bauende Orgel, die sich einerseits durch ihre Position im Raum wie durch ihre Formensprache und Farbgebung in die historische Fassung einfügt und andererseits die technischen Vorgaben des Orgelbaus erfüllt. Aus den fast sechzig eingereichten Ideen wurden von einem interdisziplinär besetzten Preisgericht zunächst sechs Entwürfe ausgewählt, deren Autor/innen beauftragt wurden, ihre Ideen auszuarbeiten. In einer zweiten Runde hat das Preisgericht den Siegerentwurf gekürt.






Siegerentwurf







KLANG, LUFT UND LICHT
333  Gätjens Plavec Sarić + Miodragović

Skulpturale Orgel
Der Umriss der freistehenden, skulpturalen Orgel erinnert an das räumliche Modell einer akustischen Welle und nimmt gleichzeitig die Gewölbearchitektur des Kirchenraums auf. Die äußere Form der Orgel wird durch Orgelpfeifen definiert, die organisch in Größe und Distanz von der Rückseite des Instruments nach vorne hin variieren und dadurch die Wirkung einer graduellen Transparenz erzeugen. Die Platzierung und Strukturierung der formgebenden Pfeifen der Orgel ist auf das von den Seitenfenstern einfallende Tageslicht ausgerichtet. Die oberflächlich unterschiedlich behandelten, perlfarbenen Mate­rialien der Orgelanlage sind dem Farbklang der Kirche angepasst. Die Hauptorgel, deren mittlerer Teil transparent wirkt, vermeidet nicht nur Nachhall im Raum, sie lässt zudem das Instrument leicht erscheinen und erhält den Blick auf das Fenster im Hintergrund und die Raumwirkung der Kirche.

© 333 Gätjens Plavec Sarić + Miodragović

Dreiteilige Anordnung
Die Orgelanlage besteht aus einer 7,5 Meter hohen Hauptorgel und zwei räumlich ­getrennten ­Auxiliaires. Hauptorgel und Spieltisch sind klang- und denkmalgerecht zum Mittelschiff und der Zentralkuppel hin ausgerichtet, auf der Mittel­empore als freistehende Skulptur zentral positioniert und dadurch für die Öffentlichkeit zugänglich. Von der Bodenebene aus gesehen, verleiht dieser ursprüngliche und nun neu gedachte Aufstellungsort der Orgel eine ideale Raumpräsenz. Die zentrale, freistehende Position ermöglicht es, die Empore weiterhin als flexiblen Ausstellungs- und Veranstaltungsraum zu nutzen, in dem die Orgel zu einem Raumelement wird.

Nachtbild
Das im Körper der Hauptorgel integrierte Kunstlicht verändert das Erscheinungsbild am Abend. Die entlang des Umrisses und im Inneren platzierten Lichtquellen enthüllen die unterschiedlichen Oberflächen des Materials und das Innenleben des Orgelkörpers, dessen Kaskaden an Pfeifen und Struktur der Plattformen das Bild einer Klanglandschaft erzeugen. Die Unterseiten der Plattformen sind mit poliertem Metall abgedeckt, durch das die Pfeifenlandschaft reflektiert und dadurch multi­pliziert wird. Mit dem Spieltisch verknüpft, reagieren die Lichtquellen langsam und pulsierend auf das Orgelspiel. Die kleinen Lichtquellen setzen Akzente, die, scheinbar zufällig angesteuert, das Instrument dynamisch erhellen. In den Kern der Hauptorgel ist aus kleinen Metallreststücken aus dem Fertigungsprozess der Orgel eine Installation eingearbeitet. An dünnen Drähten abgehängt, reagieren die kleinen Metallteilchen auf das Spiel der Orgel, über das Motoren angesteuert werden.

333 (Lena Gätjens, Ivana Plavec, Branka Sarić) + Miodragović
www.dreidreidrei.net
www.miodrago.net
www.lenagaetjens.com






Wettbewerbsbeiträge der Finalrunde







RAUMORGEL
Studio Gründer Kirfel

Nicht nur der Klang der neuen Orgel in der Zionskirche öffnet sich in den Raum; sie selbst bildet den Raum. Ein „Wald“ aus Pfeifengruppen steht auf den Emporen und eröffnet Besuchern, Zuhörern und Gläubigen neue Möglichkeiten des Erlebens und der Teilhabe an Musik. Dem Organisten eröffnet diese räumliche Aufteilung von Klangquellen Spiel­interpretationen, wie sie bei herkömmlichen Orgeln nicht möglich sind. Mit dieser Orgelkonzeption wird sowohl an sakrale Funktionen und Traditionen angeknüpft als auch Bezug zur sozialen Bedeutung und Geschichte des Ortes genommen: Als Ort sozialer Offenheit und Interaktionen (Dietrich Bonhoeffer, Ost-Punk-Konzerte, Umweltbewegung, Neues Forum etc.) scheint uns eine Orgel, welche man nicht nur von außen ansehen, sondern „betreten“ bzw. sich zwischen ihren Komponenten bewegen, sich mit Anderen gemeinsam darin aufhalten und interagieren kann, eine angemessene Antwort auf Ort und Zeit zu sein.

Orgelgestaltung Studio Gruender Kirfel

© Studio Gründer Kirfel

Studio Gründer Kirfel
www.gruenderkirfel.de

KLANGKÖRPER IM RAUM
Lothar Eckhardt

Wir wollen keine Prospektpfeifen („Gesichtspfeifen“) präsentieren, die als besonders Ausgewählte und ­Exponierte seit Jahrhunderten als Erkennungszeichen fungieren und kraft ihres blankpolierten Glanzes „Festlichkeit“ und „sakrale Stimmung“ repräsentieren. Dieser sentimentalen Haltung stellen wir das „Pathos der Profanität“ im Sinne des Theologen Paul Tillich entgegen und fassen die Orgel in der ursprünglichen Wortbedeutung als ὄργανον, als „Werk-Zeug“ auf, das den Raum durch „­Klangkörper“ neu zu erschließen sucht. Zugleich wirken die einzelnen Werke wie skulpturale Volumen­objekte, die den „durch moderne Architek­tursprache zur Erscheinung gebrachten Raum der mittelalterlichen Raum- und Massenformen“ (August Orth) kontrapunktisch akzentuieren. Die „Fassaden“ der Gehäuse werden ganzflächig perforiert. Die je Werk unterschiedlichen Perforationsmuster sind inspiriert von graphischen Notationsstrukturen, wie sie in der Orgelkomposition „Volumina“ (1961/66) von György Ligeti, dem „Urknall“ von Martin Hechenröder in der neuen ­Orgelmusik zu finden sind.

Orgelgestaltung Lothar Eckhardt

© Lothar Eckhardt

AUSKLINGENDE WELLE
Christoph Obst

Weg vom Statischen: Die neue Orgel ist ein schwebendes Band, ein geschwungener Flügel, der sich von der Ecke der Nord-Ost-Seitenempore mit den längsten Orgelpfeifen beginnend, schmaler werdend bis in den Altarraum ausdehnt, die Apsis mit einem „langen Arm“ auf sanfte Weise (mit seinen Aus­läufern) umfängt.
Losgelöst: Der Orgelflügel ist in einem Abstand über der Empore angebracht, sodass man darunter auf Fenster und Wände sehen kann.
Sichtbar: Die neue Orgel ordnet sich deutlich zum Hauptgeschehen im Altarraum hin. Sobald man die Kirche betritt, wird diese als bedeutende und moderne Einrichtung sichtbar.

Orgelgestaltung Christoph Obst

© Christoph Obst

Christoph Obst
www.christophobst.de

MODULARE MEHRTEILIGE ORGEL
Meike Schmidt, Malte Lochstedt

Unser Konzept für eine neue, zeitgenössische Orgel in der Zionskirche sieht eine mehrteilige, auf den Seitenemporen der Kirche verteilte Orgelanlage vor. Die einzelnen skulpturalen Elemente der Orgel eröffnen zusammen einen neuen akustischen und ­visuellen Raum mit einer besonderen Surround-­Klangerfahrung. Bei der Gestaltung haben wir uns architektonisch am Facettenprinzip der Zionskirche orientiert, das sich in den sich gegenüber­liegenden Orgelmodulen und besonders im an der Längsachse gespiegelten Prospekt wiederfindet. Im skulpturalen Aufgreifen dieses Prinzips entsteht ein Dialog mit der räumlichen und akustischen Situation und gleichzeitig findet eine Erweiterung um ein zeitgenössisches Element statt. Der vierteilige Orgelprospekt befindet sich erhöht an den Seiten der Emporen und passt sich deren Verlauf an.

Orgelgestaltung Schmidt Lochstedt

© Meike Schmidt, Malte Lochstedt

TOCCARE – BERÜHREN
Maria Vill, David Mannstein

Wie ein Nest am Felsen verbindet sich die Orgel mit der Kirche. Die Kirche ist die räumlich gewordene Manifestation des christlichen Glaubens, sie ist der Fels, auf den wir bauen können. Die Orgel umgreift Säulen und Brüstung, ist verbunden mit dem Raum. Sie ist nicht hinzu­gefügt, sondern Teil der Kirche. Die sowohl mit dem Gebäude als auch miteinander verbundenen Körper überschneiden sich zum Teil. Sie sind offen oder geschlossen, sind mit Schwellwerklamellen versehen oder mit Akustikstoff bespannt. Die Prospektpfeifen sind zum Teil klassisch an der Öffnung im Gehäuse untergebracht, aber auch darauf oder daneben. Die Orgel wird als komplexer Mechanismus gezeigt, der im harmonischen Zusammenspiel, im Berührt­werden, die Musik erklingen lässt, in der uns das Wort Gottes erreicht und berührt.

Orgelgestaltung Vill Mannstein

© Maria Vill + David Mannstein

Maria Vill + David Mannstein
www.mannstein-vill.de